Geltungsbedingungen für Wasserzeichendatierungen

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Zur Methodik

Wasserzeichenbasierte Datierungen erfolgen auf der Grundlage ihres „Verwandtschaftsverhältnisses“. Wasserzeichen können dabei zueinander ‚identisch’, (deckungsgleich), ‚ähnlich’ (sie zeigen gleiche, nur durch Verschiebung oder Beschädigung abweichende Drahtfiguren) oder nur vom ‚gleichen Motivtyp’ (auch ‚Varianten’ genannt) sein.

Besonderheiten bei Briquet

Bei der Benutzung Briquets gibt es eine weitere Besonderheit. Briquets ‚var. ident.’ bedeutet: „Includes not only identical marks but twin marks and very similar marks, a classification partly due to the ambiguities of tracings“[1], was an anderer Stelle durch Stevenson mit folgender Aussage wieder etwas relativiert wird: „’Var. ident.’ include marks that are identical (from the same mould) and also those that are not identical (from different moulds). What Briquets records or promises is marks that are merely very similar.“[2]


Abweichungen / Toleranzen bei Durchzeichnungen

Für den Abgleich mit Durchzeichnungen von Wasserzeichen und sämtliche dort gemessene Abmessungen gilt eine Toleranz von bis zu 2mm, die 2 Strichbreiten entspricht. Dies erklärt sich mit dem verfahrensbedingten Umzeichnen.

Warum sich Wasserzeichen verändern

„Durch die fortgesetzte Reihe der Gautschvorgänge lockern sich die Befestigungsdrähte des Wasserzeichens oder die Lötstellen. Unter der abrollenden Bewegung des Gautschers verschiebt sich das Wasserzeichen unmerklich immer weiter von der ursprünglichen Stelle weg, bis die feinen Haltedrähte reißen und eine Reparatur nötig wird. Diese Verschiebungen können von kleinen Verformungen begleitet sein. Dazu kommen die beim Reinigen des Siebs mit der Bürste entstehenden Schäden.“[3]


Gebrauchsdauer der Schöpfsiebe

In Piccards Einleitung zu seinem ersten Wasserzeichenfindbuch ‚Kronen-Wasserzeichen’ (1961) ist zu lesen: „Die Gebrauchsdauer der Schöpfformenpaare war infolge ihrer natürlichen Abnutzung begrenzt, sie betrug im Durchschnitt etwa 800 Ries oder rund 400.000 Bogen Papier. Ein normal (und ganzjährig) arbeitender Betrieb verbrauchte (im 16. Jahrhundert) jährlich zwei Schöpfformenpaare[4]. Jede Erneuerung der Formen und ihrer Papierzeichen ist in ihren Erzeugnissen infolge der oft etwas veränderten Abstände der Bindedrähte, vor allem aber durch geringfügige, doch deutlich wahrnehmbare Änderungen der Dimensionen der Papiermarken von ihren Vorgängern und Nachfolgern zu unterscheiden.“[5]

Die allgemeine Verwendungsdauer eines Schöpfsiebes bei kontinuierlicher Benutzung sieht Weiss bei 2 bis 3 Jahren[6], Stevenson bei nicht mehr als 2 Jahren[7] und Tschudin bei anderthalb bis zwei Jahren, abhängig jedoch von der Anzahl von Schöpfsieben, die parallel im Gebrauch standen[8]. Aus diesen abweichenden Ausgangspunkten ergeben sich für wasserzeichenbasierte Datierungen wichtige, mit +/- 2 oder +/-4 Jahren aber unterschiedliche Toleranzen bei den Verwendungszeiträumen.


Verwendungszeiträume von Papieren mit indentischen Wasserzeichen

Den allgemeinen Verwendungszeitraum von Papier gibt Piccard am Beispiel der Kronenpapiere mit „ein bis höchstens vier Jahre[n]“[9] ,[10], [11] an. Bei der Datierung eines Objektes auf Basis von identischen Wasserzeichen hat sich nach Harlfinger[12] die Faustregel +/- 4 Jahre durchgesetzt. Dies deckt sich mit den beispielsweise von Gerardy[13] und Banasch[14] ,[15] geäußerten Meinungen. Bei anderen Autoren, wie z.B. bei Weiss[16] oder Tschudin[17] werden mit +/- 2 bis 3 bzw. +/- 1,5 bis 2 Jahren deutlich geringere Zeitspannen gehandhabt.

Bei der Annahme dieser Zeitspannen wird der Aspekt einer längeren Papierlagerung - mitunter auch ’bad-house-keeping' genannt (Bed.: In der Werkstatt wird auf einen noch nicht ganz aufgebrauchten Papierstapel ein neues Ries obenauf gelegt, sodass die unteren Papiere des Stapels bedeutend längere Lagerzeiten aufweisen, bevor sie verbraucht werden.) - außer Acht gelassen.


Besonderheiten der KdZ-Wasserzeichen-Aufnahmen

Aufgrund der starken Objektivverzeichnung bei einem Teil der Aufnahmen ist die Maßstäblichkeit für die WZ-Abbildung nicht zu 100% gewährleistet! Diese ließen sich möglicherweise – da nicht gleichmäßig – auch nicht durch Skalieren etc. zu 100% korrigieren.

Anmerkungen

  1. Allan Stevenson; ‚Inroduction’; in: C.M.Briquet; Les Filigranes. Jubilee Edition’ part 1; Amsterdam, 1968; S.15
  2. Allan Stevenson; ‚Inroduction’; in: C.M.Briquet; Les Filigranes. Jubilee Edition’ part 1; Amsterdam, 1968; S.33
  3. Peter F.Tschudin; „Grundzüge der Papiergeschichte“; 2002; S.32-33
  4. An dieser Stelle muss einschränkend ergänzt werden, dass sich diese Mengen Papier nur auf die gängigsten Papierformate beziehen können. Bei den seltener verwendeten (Groß-)Formaten dürften die Schöpfsiebe daher auch über einen längeren Zeitraum in Verwendung geblieben sein.
  5. G.Piccard; Kronen-Wasserzeichen; Stuttgart, 1961; S.9
  6. K.-Th.Weiss u.W.Weiss; Handbuch der Wasserzeichenkunde; Leipzig, 1962; S.234-235
  7. Allan Stevenson; ‚Inroduction’; in: C.M.Briquet; Les Filigranes. Jubilee Edition’ part 1; Amsterdam, 1968; S.32
  8. Peter F.Tschudin; „Grundzüge der Papiergeschichte“; 2002; S.32
  9. G.Piccard; Kronen-Wasserzeichen; Stuttgart, 1961; S.23
  10. Eine der Grunderkenntnisse Piccards für seine Arbeiten war: „In der Zeit vor 1650 wurden gewöhnliche Schreib- und Druckpapiere nicht auf Vorrat hergestellt. Sie wurden nach ihrer Fertigung rasch verbraucht.“ Siehe: Hermann Bannasch; „Die wissenschaftliche Grundlegung der Wasserzeichenkunde. Weg und Wirken des Kunstmalers Gerhard Piccard (1909-1989) in der Wasserzeichenforschung“; in: Hrsg. P.Rückert, J.Godau u. G.Maier; „Piccard-Online. Digitale Präsentationen von Wasserzeichen und ihre Nutzung“; Stuttgart, 2007; S.154
  11. Briquet fertigte auch Wasserzeichenabzeichnungen von Kopien bzw. nachträglichen Abschriften an und übernahm die Datierung der Originaldokumente für die Kopien, die jedoch nach Piccards Meinung besonders ab Mitte des 16. Jahrhundert „um fünf und mehr Jahre von ihren Bezugsdaten abweichen.“ Siehe: G.Piccard; Kronen-Wasserzeichen; Stuttgart, 1961; S.10
  12. Dieter Harlfinger; „Griechische Kodikologie und Textüberlieferung“; Darmstadt, 1980; S.144-169
  13. Theodor Gerardy; „Die Techniken der Wasserzeichenuntersuchung“; in: Les techniques de laboratoire dans l'étude des manuscrits, Paris, 13-15 sept. 1972. - Paris, 1974; S.143-157 (Colloques internationaux du Centre National de la Recherche Scientifique; 548); S.144 und Diskussionsniederschrift S.156-157
  14. Bannasch, H.; Wasserzeichen als Datierungshilfen – die Wasserzeichenkartei Piccards im Hauptstaatsarchiv Stuttgart; in: Zauberstoff Papier; Hrsg. von Jürgen Franzke; München; 1990; S.77
  15. An anderer Stelle wiederholt Bannasch dies mit: „In diesen Fällen [bei identischen Wasserzeichen] kann die Zeitstellung nicht datierter Schriftstücke, Handzeichnungen oder Drucke aus der Zeit vor 1650, bezogen auf den identischen Datumsträger, auf +/- vier Jahre eingegrenzt werden.“ In: Hermann Bannasch; „Die wissenschaftliche Grundlegung der Wasserzeichenkunde. Weg und Wirken des Kunstmalers Gerhard Piccard (1909-1989) in der Wasserzeichenforschung“; in: Hrsg. P.Rückert, J.Godau u. G.Maier; „Piccard-Online. Digitale Präsentationen von Wasserzeichen und ihre Nutzung“; Stuttgart, 2007; S.156
  16. „Während nun einerseits in seltenen Fällen auch [noch] genauere Datierungen als solche im Rahmen der [...] genannten Spanne von 2 bis 3 Jahren möglich sind, wenn nämlich verderbende Formen vorliegen, so gilt andererseits die Regel in den späteren Wasserzeichenjahrhunderten nicht mehr ganz allgemein und nicht für alle Papiersorten”; in: K.-Th.Weiss u.W.Weiss; Handbuch der Wasserzeichenkunde; Leipzig, 1962; S.234-235
  17. „die Möglichkeit, den Hersteller eines Blattes nicht nur zu identifizieren, sondern auch die Herstellungszeit auf ein bis zwei Jahre genau zu bestimmen“; Peter F. Tschudin; Grundzüge der Papiergeschichte 2002; S.5-6

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